LIVE: Moll (Problembär Records)
Mit Sesseltanz erscheint das zweite Album von Moll, dem Musik-Projekt des Wiener Schriftstellers Lukas Meschik. Der Erstling kam 2020, und seitdem ist vieles passiert, das in uns allen tiefe Spuren hinterlassen hat; Gewissheiten gehen verloren, unverbrüchlich geglaubte Ordnungen lösen sich auf. Anderes aber ist gleich geblieben, auf manches kann man sich einfach verlassen – und so hat sich an der Besetzung von Moll nichts geändert. Wieder hat Meschik dieselben großartigen Mitstreiter um sich geschart: Sebastian Kierner an der E-Gitarre, der mit traumwandlerischer Sicherheit prägnante Melodielinien setzt; Bassist Max Payer, der außerdem für geschmeidige Backing-Vocals sorgt; Simon Schenk-Mair am Schlagzeug, dessen vielseitige Rhythmen wundersam tiefenentspannt daherkommen. Wie schon das hochgelobte Debüt Musik versammelt Sesseltanz 14 Songs, von denen jeder auf eigene Weise in seinen Bann zieht.
Der Nachfolger ist noch eine Spur nachdenklicher ausgefallen, reifer und erwachsener, aber auch selbstbewusster. Schnörkellose Popsongs im besten Sinne, die in drei bis vier Minuten ein ganzes Leben erzählen; Moll beweist eindrucksvoll, wie gut sich dichte Texte mit literarischem Anspruch in eingängige Liedstrukturen betten lassen. Roter Faden ist eine augenzwinkernde Romantik, die nie altmodisch ist, sondern zeitlos bleibt – wir begleiten selbstironische Helden in ihrem lässigen Scheitern. Frei von Klischees vermitteln Songs wie „Aus demselben Raumschiff“, „Ein langes Jahr“ oder „Stand-up in New York“ diese Sehnsucht nach dem „anderen Leben“ inmitten einer beschleunigten, durchgetakteten Gegenwart. Die Hauptstadt-Hymnen „Hartes Pflaster Hernals“ und „Durchzechte Wiener Nächte“ verströmen charmanten Lokalkolorit, und mit „Dark“ findet sich ein waschechtes Lockdown-Stück übers einsame Streunen durch leere Straßen. Zusammengehalten wird all das von einer warmen Melancholie, die uns freundlich umfängt. Moll zelebriert eine Komplexität der Einfachheit: Was beim ersten Hören ganz simpel klingt, legt im weiteren Verlauf immer tiefere Schichten frei, die poetischen Lyrics entpuppen sich als erfrischend doppelbödig.
Aufgenommen und produziert wurde diesmal in den von Kierner und Schenk-Mair selbst eingerichteten zonkey studios am Rand von Wien, tatkräftige Unterstützung gab es von Studio-Mitbetreiber Paul Kotal. In den knackigen Bandsound mischen sich diesmal vermehrt Orgel, Harmonium, Klavier und Percussion-Elemente, am Tanz-Kracher „Feinde“ jault der Synthesizer; ein ausgewogenes Klangbild, dem man die investierte Zeit und Mühe anmerkt. Sich restlos auf die eigenen Fähigkeiten als Musiker und Produzenten zu verlassen, zeugt vom gewachsenen Vertrauen in sich selbst. Die vier Komplizen von Moll gehen konsequent ihren Weg weiter, den sie vor zwei Jahren beschritten haben.
Wie heißt es in der titelgebenden letzten Nummer „Sesseltanz“ so treffend: Ich sitz zuhaus und ich schreib dieses Lied / Weil es viel zu wenige gibt. Es gibt immer zu wenige Lieder, aber jetzt gibt es ein paar zusätzliche, die man am Heimweg laut mitsingen kann, am besten nach einer durchzechten Wiener Nacht: Drei Bier sind vier zu wenig / Warum das Leben schön ist / Wenn ich’s wüsste / Wär es nur noch halb so schön. Es wird sowieso zu viel gewusst und gedacht, dabei sollte mehr gehört werden – am besten die neuen Sehnsuchtslieder von Moll.