Offener Brief an Herr Vizekanzler Kogler

Sehr geehrter Herr Vizekanzler Kogler!

Mein Name ist Milena Košir Rantaša. Seit Anfang 2019 bin ich die Betreiberin des traditionsreichen Live-Clubs rhiz in den Wiener Stadtbahnbögen. 

Danke für Ihre via Presse geäußerte Einladung zum Dialog. Die Ankündigungen bei Ihrer Pressekonferenz zur näheren Zukunft des Kultursektors vergangenen Freitag haben mich aber weiterhin in Unsicherheit gelassen. 

Darf ich Ihnen direkt eine Frage stellen: Welchen Stellenwert hat das rhiz für Sie als Kultureinrichtung? 

Seit Mai 1998 ist das rhiz ein fixer Bestandteil der „kritischen Infrastruktur“ von Live-Venues des Musiklebens der Stadt Wien mit österreichweiter Bedeutung. Es wurde gegründet, um Freiraum für elektronische Musik zu schaffen und hat seine Bühne mittlerweile für eine große stilistische Vielfalt qualitätsvoller aktueller Musik geöffnet. 

Die Geschichte der Popmusik Wiens hätte es ohne uns und Unseresgleichen nicht gegeben. Das hat die Ausstellung „Ganz Wien“ 2017 im Wien Museum dokumentiert (siehe Beilage). In den 22 Jahren unseres Bestehens wurden im rhiz in insgesamt circa 4000 Auftritten hiesiger, österreichischer und internationaler Künstler*innen und hunderten künstlerisch ambitionierten DJ-Veranstaltungen trotz „räumlicher Winzigkeit“ die Grundlage für viele Karrieren gelegt und die Lebendigkeit der Musikszene gefördert.

Wir benötigen jetzt Ihre Anerkennung unserer kulturellen Rolle und Ihre maßgeschneiderte Hilfe. Für die Schließzeit brauchen wir Perspektiven zur Ergänzung der bislang ungenügenden Hilfspakete. Für die Zeit der eingeschränkten Wiederaufnahme des Veranstaltungsbetriebs – wann immer das sein wird – brauchen wir die Finanzierung der sich abzeichnenden Lücke zwischen eingeschränkten Erlösen und Kostendeckung. 

Wie meine Vorgänger betreibe ich unsere Bühne in idealistischer Motivation. Das rhiz arbeitet nicht kapitalistisch, sondern in Symbiose mit unseren Kreativen. Die Erlöse aus dem Getränkeverkauf decken Fixkosten wie Mieten und Löhne, so dass unser Raum – anders als in vielen geförderten Institutionen – kostenfrei für Veranstalter*innen und Künstler*innen zur Verfügung steht. Statt Rücklagen und Gewinne zu generieren unterstützen wir die Kunst. Das ist unsere Mission, genauso wie die Ihre als Kulturminister. 

Ich möchte Sie in dieser Zeit der Wahrheit persönlich sehr herzlich zu einem Fact finding in unseren Live-Club einladen, um Ihnen anhand unseres Modellfalles die kulturelle und wirtschaftliche Funktionsweise kleiner Live-Clubs aus erster Hand vorzustellen. Das rhiz war einer der ersten „Hybride“ in Wien, der den kulturell motivierten Betrieb einer Musikbühne mit der Stätte für anspruchsvolle zeitgenössische Clubkultur auf der Finanzierungsbasis einer auf Getränke beschränkten (Nacht)Gastronomie auf kleinem, nicht auf Masse ausgerichteten Raum vereint. Es würde mich freuen, wenn es im persönlichen Gespräch gelänge, zum Aufbau der für die angekündigten Pakete nötigen Expertise und Detailkenntnisse in Ihrem Ressort beizutragen.

Es wäre schön, wenn Sie als eine erste Geste der Aufmerksamkeit für uns und Unseresgleichen unsere Einladung zeitnah annehmen.


Mag. Milena Košir Rantaša
Geschäftsführende Gesellschafterin